Als eines der erstaunlichsten Beispiele der jüngeren Geschichte stieß dem Prokurator kürzlich folgendes auf:

„Vor gar nicht langer Zeit wütete im Ostmärkischen mal wieder die Hühnerpest. Die besondere wirtschaftliche Lage in diesem Lande brachte es mit sich, daß die gute Jute mit Füßen getreten und in die Sklaverei verkauft wurde. Um einem ähnlichen Los zu entgehen, flüchteten alle Hühner unter großem Geschrei vor sowohl der Sklaverei als auch der Pest nach Holland.

Doch wie hatten Sie sich verrechnet! Sie kamen geradewegs vom Regen in die Traufe.

Zu dieser Zeit lebte nämlich am Grenzübergang ein Subjekt namens Jaap Grillo. Der hatte den ganzen Tag nichts anderes im Sinn, andere zu quälen. Wie kamen ihm da die flüchtenden und erschöpften Hühner gerade recht. Gleich das erste schnappte er sich und hängte es als Perpendikel an seinen Regulator. Das arme Geschöpf versah noch zehn Jahre nach seinem Tod treu und brav seinen Dienst.

Das Teuflischste aber widerfuhr den letzten 12 Hühnchen:

Der Hühnerhasser - nicht zu verwechseln mit dem berühmten Taucher ähnlichen Namens - lockte die Tiere auf den Fleischdampfer und dort gingen sie ihm auch prompt auf den Leim, der einstmals aus ihnen gemacht werden sollte.“
Totes Huhn

„Sagen Sie mal, Herr Prokurator, lebt dieser Unhold Grillo eigentlich noch?“ fragte ein aufmerksam zuhörendes Hühnchen.

„Vor zwei Jahren ist Jaap zum ersten Mal gestorben und seit dem habe ich nichts mehr von ihm gehört.“

Der Prokurator schwieg und er war auch nicht mit Geldgeschenken dazu zu bewegen, seine Erzählung fortzusetzen.

Und der Prokurator schwieg weiterhin beredt, aber die Zuhörer verstanden gar nichts. Sie merkten auch nicht, wie es plötzlich am Prokurator riß und sich seine linke Körperhälfte still entfernte.

Mit einem gewaltigen Schlag fiel auf einmal die lange erwartete Nacht ein und sie sollte nicht vor Ablauf von fünf Tagen enden. Das war das Zeichen: plötzlich flog ein längst totgeglaubter Uhu durch den Raum und löste sich in Rauch auf.

Es schien, als ob der Rest des Prokurators sich mittlerweile auf und davon gemacht hätte, um noch schnell ein paar Hamsterkäufe zu tätigen. Darauf verließen die Hühner unter der Ägide von Otto Hahn enttäuscht den Raum. Es war plötzlich sehr still.

Und es blieb auch noch lange Zeit still in diesem Raum, wie wenn Raum und Laut sich vereinigt hätten und jeder von beiden seine Existenz zugunsten der neuen, gemeinsamen aufgegeben hätte.

Doch horch: Schlürfende Geräusche. Und richtig: Der Prokurator. Er fällt geradezu durch die Tür und sinkt auf sein Bett. Er ächzt. Sein Blut will nur widerwillig durch die Adern. Alles im Prokurator ist gequält. Er muß etwas besonderes, schlimmes erlebt haben. Zwar die Hamster konnte er sich noch sichern, aber um welchen Preis? Schließlich mußte er fliehen.


Plötzlich barst die Tür und herein stürzte ein Haufen Weiber, tobte und skandierte: „Alternativ, lila, Latzhose!“ Sie fingen an, sich am Prokurator zu schaffen zu machen. Er leistete keinen Widerstand mehr. Er konnte nur noch denken: „Die Geschichte wiederholt sich. Das Beispiel der Hühner. Auch die jüngere Geschichte.“ Die Weiber fledderten des Prokurators Hose vom lebenden Leib. Alles im Prokurator wollte sterben. Nur er selbst noch nicht. Da entdeckten die Weiber der Prokurators Geschlechtsteil. Es ist lila!

Die Verblüffung war eine große, aber man verständigte sich geistesgegenwärtig mit der gegenüberliegenden Wand, worauf diese in sich zusammenstürzte und den Prokurator, der nun schon am ganzen Körper lila verfärbt war, unter sich begrub. Durch die entstandene Lücke, man erinnere sich, hier stand vormals eine Wand, konnte man Pauls Haus sehen.

Unter den Trümmern und dem Geröll regte sich der Prokurator, dessen lange und unstete Irrfahrt hier ihren Anfang nahm. Bald erreichte er Werl im Sauerland. Wieviel Unverständnis erwartete ihn dort! Es begann damit, daß ihn niemand mehr erkannte, denn er war am ganzen Leib lila und arg zerdrückt. In seiner Verzweiflung beschloß er, Herrn Santhepet aufzusuchen und erst mal anständig zu frühstücken. Dieser Herr Santhepet aber war ein ganz unangenehmer Bursche: er pflegte jeden Neuankömmling mit einem dreifachen: Die Pest über Dich! zu verwünschen. Dabei lief er meist rötlich an, Schaum trat vor seine Lippen und er verursachte regelmäßig einen Menschenauflauf.


Der Prokurator bekam in der Folge dreimal die Pest und als er sich davon erholt hatte, gingen er und Herr Santhepet ins nächste Café, um sich dort einen Kaffee in den Kopp zu schütten.

Nach diesen tollen Erlebnissen ließ der Prokurator sich pensionieren und widmete sich fortan nur noch dem Studium von Fernsehprogrammen. Er verstarb dann auch nicht viel später.

Jaap Grillo, so die natürlich nicht vergessene Frage, lebt er noch?

Auf diese Frage schwieg damals der Prokurator. Zu Recht. Denn er hätte über das weitere Schicksal dieses Grillo gar Nichts zu sagen gehabt. Er wußte nichts und wollte sich lediglich wichtig machen.

Jaap Grillo wurde irgendwann dingfest gemacht. Ein Prozeß fand statt und er wurde verurteilt zu einer längeren Haftstrafe, jedoch nach zwei Jahren entlassen wegen guter Führung.

Aber alles Verstellung! Mitnichten hatte er sein Ziel aus den Augen verloren: die Herrschaft über die Welt. Nur die Gier nach Macht über Hühner und den Rest der Welt hatten ihn die Haft überstehen lassen. Nun aber ging er frisch ans Werk. Als erstes fing er einen Dackel, fror ihn ein und zerschlug das Tier in kleine Stücke. Welch ein Glück für die Hühnchen.

Ende ....... ?

Leider nein. Wie wir uns erinnern ließ an einem Montag im Dezember des Jahres 1997, es war klar und die Sonne schien, Hongkong alle Hühner schlachten.

Aus P. Aule & K.H.C.Knorpel: Der Postamentierte Dackel, Justus von Liebig Verlag ISBN 3-87390-141-2

Jaap Grillo