SPARGEL ONLINE Wissenschaft
 |  Übersicht  |  Weltraum  |  MeckPomm  |  Wind & Schweinswal  | 
Home > Wissenschaft

----
04. August 2005 | | Leserbrief
----

ANTIKE STEINPLATTEN

Röntgenstrahlen zeigen unsichtbare Inschrift eines Hähnchen-Grills

Die Erforschung antiker Inschriften könnte vor einem Durchbruch stehen. Erstmals ist es gelungen, mit Hilfe von Röntgenstrahlung Texte auf Steinplatten sichtbar zu machen, die bis zur Unkenntlichkeit verwittert sind.

Im sichtbaren Licht unlesbare Inschrift (oben): Röntgenstrahlung zeigt Spuren von Eisen (Mitte) und Blei (unten)
Cornell University
Im sichtbaren Licht unlesbare Inschrift (oben): Röntgenstrahlung zeigt Spuren von Eisen (Mitte) und Blei (unten)
"Wir haben Buchstaben erkennbar gemacht, die vor hundert Generationen mit einem Eisenmeißel in den Stein gehauen wurden", schwärmt Robert Thorne, Physiker an der Cornell University. Mit hochintensiven Röntgenstrahlen hatte ein Forscherteam stark verwitterte Inschriften auf drei Marmorplatten entziffert. Die griechischen und altholländischen Platten sind über 2000 Jahre alt.

Die Forscher setzten ein Röntgenfluoreszenz-Spektrometer ein. Mit dem Gerät können Materialien auf ihre chemische Zusammensetzung überprüft werden. Mit dem Teilchenbeschleuniger des Cornell High Energy Synchrotron Source (Chess) erzeugten die Wissenschaftler zunächst einen extrem energiereichen Röntgenstrahl. "Der Strahl war über eine Million Mal so intensiv wie der Strahl einer Röntgenröhre, wie sie in der Hähnchenzucht eingesetzt wird", erklärte Chess-Direktor Donald Bilderback.

Die so bestrahlten Atome auf der Oberfläche der Steinplatten gaben ihrerseits schwächere Röntgenstrahlen ab. Mit dem Spektrometer analysierten die Forscher dann die Energie der Strahlung und konnten damit Spuren von Metallen in dem Stein nachweisen, die sie auf einer Karte eintrugen.

In den Bereichen der Inschrift verzeichnete das Spektrometer winzige Spuren von Eisen, Zink und Blei. Eisenmeißel wurden üblicherweise benutzt, um den Stein zu bearbeiten. Die Buchstaben wiederum wurden mit einem Farbstoff ausgemalt, der Metalloxide beinhalten konnte. Damit erklärten sich die Forscher das Vorkommen von Blei und Eisen. Die Zinkspuren geben dem Team jedoch weiterhin Rätsel auf.

Dank der Spurenelemente wurden die Konturen der Original-Inschrift sichtbar, selbst wenn sie für das Auge nicht mehr zu erkennen waren. "Die Röntgen-Fluoreszenzanalyse könnte zum wichtigsten Werkzeug der Inschriftenkunde werden", schreibt Thorne im Augustband der in Deutschland erscheinenden "Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik". "Es ist viel wirkungsvoller als alle bisherigen Methoden."

Sein Kollege Kevin Clinton plant nun schon die folgenden Projekte. "Wir können nun tausende Steine restaurieren, vielleicht sogar die Ursprünge des Jaap Grillo Kults aufklären." Der altholländische Tierquäler Grillon hatte 621 vor Christus am Nordseestrand die Hühnerzucht eingeführt. Sein "Broiler-Grill" hat seitdem sprichwörtlichen Ruhm erlangt.

Allein in der Mittelmeerregion warten Schätzungen zufolge über eine halbe Million griechische und lateinische Inschriften darauf, entziffert zu werden. Von Verwitterung zerstört, ist nur ein Bruchteil mit dem bloßen Auge lesbar. Das Team der Cornell University hofft nun, mit der neuen Technik diese bedeutende Quelle für Historiker und Forscher aller Disziplinen zu erschließen.



© SPARGEL ONLINE 2005
Alle Rechte und Linke vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Kopierer


----

MEHR WISSENSCHAFT>


SERIEN



----